Deutschlands erstes Seelsorgetelefon
1956 gründete eine kleine Gruppe engagierter Christen die Telefonseelsorge Berlin e.V., die erste ihrer Art in Deutschland. Ein Pastor, ein Arzt, ein Jurist, eine Pädagogin und einige Theologiestudenten hatten ein gemeinsames Ziel: einen 24-Stunden-Notdienst am Telefon einzurichten, um vor allem Suizide zu verhindern. Sie ließen sich dabei von den englischen „The Samaritans“ inspirieren.
Mitte der 50er Jahre hatte Berlin die höchste Suizidrate in Deutschland. Die Not war groß, und die Menschen brauchten dringend Hilfe. Die Gründer der Telefonseelsorge wollten genau das bieten: menschliche und seelsorgliche Unterstützung auf christlicher Grundlage. Dabei war es ihnen wichtig, keine kirchliche Einrichtung zu sein und keinen konfessionellen, religiösen, politischen oder ideologischen Druck auszuüben.
Heute sind wir stolz darauf, die erste und älteste Telefonseelsorge in Deutschland zu sein. Unser Modell hat Schule gemacht: In vielen Städten entstanden nach und nach weitere Telefonseelsorge-Stellen. Heute gibt es über 100 solcher Einrichtungen, und die Telefonseelsorge ist ein fester Bestandteil der Präventionsarbeit. Unsere Arbeit hat sich bewährt. Wir sind da, wir hören zu – rund um die Uhr, seit 1956.
Chronik
- 1956 Gründung am 5. Oktober in einer Charlottenburger Privatwohnung. Tagsüber finden auch persönliche Beratungen statt. Bis Ende des Jahres konnte bereits 616 Anrufenden weitergeholfen werden. Die erste Geschäftsstelle liegt in der Jebenstraße 1, direkt gegenüber dem Bahnhof Zoo.
- 1960 Mittlerweile über 9.000 Anrufe pro Jahr.
- 1970 Umzug vom 4. Stock ins Parterre. Hintergrund ist ein vollzogener Suizid im Treppenhaus.
- 1972 Die Beratung wird auf allgemeine Konflikte und Kriseninterventionen ausgeweitet.
- 1975 Inzwischen arbeiten 54 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Telefon, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden.
- 1982 Erstmalig öffentlichkeitswirksame Plakataktion: „Sprechen kann helfen“.
- 1986 Bilanz zum 30-jährigen Jubiläum: über 435.000 Anrufe und mehr als 90 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die rund um die Uhr im Einsatz sind.
- 1989 Nach dem Fall der Berliner Mauer gibt es eine weitere Telefonseelsorge-Einrichtung in der Stadt: die 1988 in Ost-Berlin gegründete Kirchliche Telefonseelsorge.
- 1995 Umzug vom alten West-Berliner Zentrum in die Nansenstraße 27 nach Neukölln.
- 1996 Die Telefonseelsorge Berlin e. V. wird 40 Jahre alt. Der Gründer der Telefonseelsorge-Bewegung Chad Varah aus London gratuliert am Telefon. Anlässlich des Geburtstags werden die Spenderinnen und Spender in die Heilig-Kreuz-Kirche zum Dankeschön-Konzert eingeladen – eine begeisternde Aktion, die seitdem jährlich stattfindet.
- 1997 Die kostenfreie 0800-Nummer wird eingeführt.
- 2004 Zum ersten Mal: Busreisen als Dankeschön an die Spenderinnen und Spender.
- 2006 Die erste und älteste Telefonseelsorge in Deutschland feiert 50. Geburtstag. Auf dem Programm stehen ein offizieller Festakt mit dem Bundespräsidenten Horst Köhler und ein Symposium „Kummer, Krisen, Katastrophen“ in der Urania. Ein Jubiläumskonzert in der Philharmonie rundet die Feierlichkeiten ab. In 50 Jahren wurden 950.000 Anrufe entgegengenommen. 132 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich am Telefon. Die Arbeit der Telefonseelsorge wird zu über 60 Prozent über Privatspenden finanziert.
- 2010 Erstmalig gibt es einen „Tag der Offenen Tür“.
- 2011 Die Zeitung „Tagesspiegel“ ehrt Telefonseelsorge Berlin e. V. und fördert das Projekt „Beratung für Suizidhinterbliebene“.
- 2014 Bundespräsident Joachim Gauck ehrt den Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Barthen mit dem Bundesverdienstkreuz.
- 2016 Das Projekt „BeSu“ – Beratung für Suizidbetroffene – geht an den Start. Das bundesweit einzigartige Pilotprojekt wird von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin gefördert.
- 2016 Die Telefonseelsorge Berlin feiert ihren 60. Geburtstag in der Jugendherberge am Ostkreuz. Das Programm, gestaltet und präsentiert von ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen, widmet sich dem Thema Einsamkeit.
- 2018 Das Land Berlin entscheidet nach erfolgreicher Evaluierung, das Projekt „BeSu“ dauerhaft zu fördern. Im Schlosspark-Theater in Berlin-Steglitz findet erstmals ein Benefizkonzert statt.
- 2020/21 Telefonseelsorge Berlin e.V. digitalisiert seine Angebote und den Bürobetrieb, um auch während der pandemiebedingten Kontaktsperren weiterhin Ehrenamtliche auszubilden, Klientinnen zu beraten und handlungsfähig zu bleiben. Diese Investition macht das Angebot auch nach der Pandemie sehr viel flexibler.
- 2022 Unsere fachliche Leiterin Bettina Schwab wird Delegierte des TelefonSeelsorge® Deutschland e.V. im Internationalen Komitee von IFOTES (International Federation of Telephone Emergency Services).
- 2023 Schulungen und kollegiale Beratung für andere Organisationen zu Themen wie Tod, Trauer, Suizid wurden ins Angebotsportfolio aufgenommen.
- 2024 Erste Kooperation mit einer ausländischen Charity, dem Pieta House. Gemeinsam wurde der erste „Darkness into Light Walk“ in Berlin veranstaltet.